Nachlassbewusstsein in der Gegenwartsliteratur. Notizen zu einer Archivexpedition im Vorlass von Durs Grünbein

Der vorliegende Beitrag bietet eine erste philologische Beschreibung des Vorlasses von Durs Grünbein im Deutschen Literaturarchiv Marbach und analysiert insbesondere die ‘palimpsestartige’ Arbeitsweise des Dichters, die auf die Dokumentation jeder einzelnen Stufe der Textentstehung gerichtet ist. Am Beispiel verschiedener Archivalien aus den Jahren vor und nach Grünbeins literarischer Konsekration wird der Frage nachgegangen, inwiefern von einem ‘Nachlassbewusstsein’ des Autors die Rede sein kann. Dabei werden Strategien der Selbstarchivierung und der Interpretationssteuerung durch Archivalien präsentiert. Zum Schluss wird über die Tatsache reflektiert, dass immer häufiger Werke von Gegenwartsautoren bereits vor ihrer Veröffentlichung in Archiven eintreffen. Dies erfordert eine Erweiterung des Nachlass-Begriffs, der nicht nur als Ort des Vergangenen und Posthumen, sondern auch als einer des Aktuellen und Anthumen verstanden werden soll.